Gibt es heute noch Freundschaften, die ein Leben lang halten? Die Zeit ist schnelllebig geworden. Umzüge in andere Städte sind an der Tagesordnung. Natürlich gibt es Facebook und andere Möglichkeiten, über Tausende von Kilometern hinweg den Kontakt zu halten – aber funktioniert das? Vanessa Köneke (35) und Johanna Tüntsch (38), beide Mitglieder der Wegweiser-Redaktion in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg, haben sich darüber unterhalten. Der Internationale Tag der Freundschaft ist ein Gedenktag, der jedes Jahr am 30. Juli begangen wird. Er erinnert an die Bedeutung der Freundschaft zwischen Personen, Ländern und Kulturen. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat den Gedenktag  27. April 2011 ausgerufen.

Johanna: Ich wundere mich oft über das Phänomen von Schulfreundschaften. Ich habe Freundinnen, die ich seit fast 30 Jahren kenne. Wir sehen uns nicht häufig und haben uns zum Teil auch auseinander entwickelt. Trotzdem fühle ich mich ihnen näher als anderen, die ich später kennengelernt habe. Wie ist das bei dir? Was heißt Freundschaft für dich?

Vanessa: Für mich kann Freundschaft vieles bedeuten: miteinander reden, feiern, Sport treiben, sich aufeinander verlassen können. Es ist toll, wenn eine Freundschaft das alles gleichzeitig abdeckt. Aber die verschiedenen Bedürfnisse lassen sich auch auf verschiedene Freunde aufteilen. Vor allem hängt Freundschaft für mich nicht davon ab, wie oft man sich sieht. Die Erfahrung, mich stärker mit Freunden von früher verbunden zu fühlen, mache ich aber auch. Die Kindheit ist einfach eine sehr prägende Zeit.

Johanna: Findest du denn, dass man auch im späteren Leben noch richtig gute Freundschaften schließen kann?

Vanessa: Auf jeden Fall! Eigentlich haben Erwachsene da sogar mehr Möglichkeiten. Man muss Menschen nur offen begegnen. Ich habe in ganz unterschiedlichen Bereichen neue Freunde kennengelernt: bei der Wohnungssuche, beim Tanzen, bei der Arbeit, im Zug. Einmal sogar durch ein Gewinnspiel, als ich mich mit dem Fotografen angefreundet habe, der mich bei der Gewinnübergabe fotografiert hat.

Johanna: Echt? Das ist ja total witzig!

Vanessa: Ja, das ist ungewöhnlich. Aber wir haben uns einfach auf Anhieb gut verstanden.

Johanna: Facebook ist ja auch so etwas, das den sozialen Kontakt verändert hat. Zum Beispiel: Früher bekamen wir Postkarten aus dem Urlaub geschickt. Das war nett – jemand hatte an dich gedacht und sich die Mühe gemacht, eine Karte zu schreiben. Heute gibt es stattdessen diese selbstdarstellerischen Fotos auf Facebook. Das kann ich überhaupt nicht leiden. Wenn Leute Bilder von ihren tollen Urlauben posten, habe ich das Gefühl, sie möchten nur zeigen, wie weit sie es gebracht haben.

Vanessa: Das kann ich nachvollziehen. Es postet ja in der Regel auch keiner etwas Negatives. Wusstest du, dass der permanente Vergleich, der durch soziale Netzwerke entsteht, Depressionen begünstigen kann? Aber es gibt auch genauso viele Vorteile! Gerade für sonst eher einsame oder introvertierte Menschen. Daher würde ich soziale Medien keinesfalls verteufeln. Den persönlichen Austausch ersetzt das Internet nicht. Aber eine Internet-Freundschaft kann ein erster Schritt zu einer „wahren Freundschaft“ sein. Vor allem lässt sich über soziale Medien Kontakt leichter halten. Wenn man sich nicht so oft sieht, kommt man dann beim nächsten Treffen oft schneller wieder ins Gespräch. Und natürlich findet man mitunter Freunde von früher im Netz wieder.

Johanna: Glaubst du, dass Freundschaften früherer Generationen anders waren? Heute sind die Städte groß und die Menschen mobil – da kann man sich leicht aus dem Weg gehen, wenn etwas nicht mehr passt. Früher musste man sich irgendwie miteinander arrangieren. Vielleicht können wir das heute gar nicht mehr so gut, weil wir es nicht müssen.

Vanessa: Klar, wenn Menschen das ganze Leben an einem Ort verbringt, gehen sie zwangsläufig miteinander durch dick und dünn. Aber ob das besser ist? Freiheiten sind ja auch Errungenschaften. Ich denke eher: Es ist wichtig, dass Freunde auch mal Tacheles miteinander reden und sich sagen, wenn ihnen etwas nicht gefällt – den anderen aber trotzdem nehmen, wie er ist. Dann können Freundschaften unabhängig von den Lebensumständen gut funktionieren und sich weiterentwickeln.